Die Werte einer Kultur kann man an ihren Medien ablesen. Da die Zielgruppe vieler Videospiele noch immer aus jungen Männern besteht, kann die Repräsentation von Frauen auch mal ziemlich sexistisch sein. Aber geht eine enge Leggings in Blizzards kommenden Hero-Shooter Overwatch schon zu weit?
User Fipps hat sich im Feedback-Forum für Overwatch über die neue ‚over-the-shoulder‘ Siegespose der Heldin Tracer beschwert (hier im Original). In dem Post lobt Fipps Blizzard zunächst für das Kreieren starker weiblicher Charaktere im allgemeinen, und Tracers liebenswerte, albern-draufgängerische Persönlichkeit im besonderen. Die neue Pose aber verwerfe all diese Charakterentwicklung und reduziere Tracer bloß zu einem weiteren fadem Sex Symbol. Fipps Tochter ist ein Tracer-Fan, und dieser Charakter möge ihr doch bitte weiter als Vorbild dienen können.

Diese Po-Kontroverse in Overwatch führt eine Debatte in der Videospielkultur fort, die aufgrund etlicher Objektifizierungen und Hypersexualisierungen weiblicher Charaktere, sowie deren Limitierung auf den ‚Jungfrau in Nöten‘-Tropus sicherlich Berechtigung hat – angefangen bei Peachs beschränkende Rolle aufs gerettet-werden, über die lächerlich knappen Rüstungen in World of Warcraft, bis zu den lollilutschenden Cover-Girls in Grand Theft Auto. Ist denn wirklich alles so schlecht?
Fipps Beschwerde spiegelt einen Gesellschaftswandel wider, den Feminismus und Gender Studies entfacht haben, und der auch bis in die Subkultur heutiger Videospieler vordringt. Der Anteil weiblicher Spieler ist in den letzten zwanzig Jahren massiv gestiegen, und auch das Bewusstsein über solch delikate Themen ist bei den Männern gewachsen: Sexismus kommt durch solche mediale Aufschreie nicht mehr so leicht durch. Doch bevor man eine Schippe zieht und laut wird, sollte man sich über den Unterschied zwischen sexueller Objektifizierung und sexuellem Machtgewinn klar werden – ersteres etwa reduziert eine Person auf ihren Körper, viel mehr als eine Sexpuppe ist sie dann nicht mehr. Letzteres aber kann ein befreiendes Annehmen auch seiner körperlichen Aspekte darstellen, wofür Bayonetta wohl das beste Beispiel ist: Sie ist badass, sie ist sexy, sie tut was sie will und fühlt sich gut dabei. Oder auch Superman, der nicht nur seinen Bizeps unter seinem engen Anzug spannt, sondern sogar die Unterhose oben drüber trägt (Scherz). Oder so ziemlich jeder eingeölte 80er Jahre Action-Held, egal ob nun ein spagatübender Jean-Claude Van Damme oder ein zeitspringender Nackedei-Terminator.

Stellt Tracers Siegespose also wirklich so ein Po-blem dar? Nein. Denn auch obwohl andere Charaktere in Overwatch diese Pose auswählen können, passt sie zu Tracers Persönlichkeit wohl am besten: Sie ist ein Teleporter – mit einem Blinzeln da, und schon wieder weg. Ein flapsiger Blick über die Schulter passt also genauso zu ihr, wie die Leggings über ihrem Po eng ist. Diese ist zudem nicht nur zufällig aerodynamisch und deutet damit auf Tracers Geschwindigkeit hin. Aber selbst wenn: Darf man als Frau nicht gleichzeitig albern und sexy sein, und damit trotzdem noch ein Vorbild für kleine Mädchen? Vielleicht sollten wir uns auf wirklich unpassende Repräsentation konzentrieren, und nicht bei jeder Maus Wolf schreien.
Übrigens: TotalBiscuit hat einen satirischen Beitrag über die Overwatch-Kontroverse auf YouTube erstellt, bei dem er Fipps Beitrag auf anthropomorphe Helden anwendet. Anschauen lohnt sich!