Daredevil’s zweite Staffel ist ein schwindelerregender Strudel aus Hass und Liebe, Schicksal und Selbstbestimmung, Entfesselung und Kontrolle. Stick taucht wieder auf, der Punisher, Elektra und die Hand feiern ihr Debüt. Aber worum geht es wirklich?
Daredevils Kern
Die erste Staffel von Daredevil widmete sich dem Kampf zwischen Held und Verbrechen ebenso wie der inneren Zerrissenheit zwischen katholischem Anwalt und gerechtem Teufel von Hell’s Kitchen. Trotz Befeuerung durch exekutiver und judikativer Ohnmacht, war der Dämon in Matt Murdocks Brust schon immer da. Murdock ist nur ein Mensch, und Menschlichkeit folgt keiner kalten Logik. Den unversöhnlichen, inneren Widerstreit zu akzeptieren, seine dunkle Seite anzunehmen – das war der zentrale Punkt der ersten Staffel.
Wo hört Gerechtigkeit auf?
Dieses Thema wird in der zweiten Staffel noch zugespitzt. Frank Castle, aka der Punisher, ist Daredevil nicht unähnlich: Auch er sucht Gerechtigkeit, wo die Staatsgewalt nicht weiter kommt. Auf der Suche nach der Wahrheit über den Tod seiner Familie geht er aber noch einen Schritt weiter: Wo Murdock das Urteil über Leben und Tod außerhalb menschlicher Entscheidung sieht, will Castle Mördern und Vergewaltigern keine zweite Chance geben, sondern sie beseitigen – und zwar permanent. Es ist diese Grenze, die die beiden voneinander unterscheidet, die der Frage nachgeht, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Es ist eine Grenze, die Murdock seiner dunklen Seite nicht gestatten will zu überschreiten. Dennoch tut er es am Ende – ob aus Not oder Kontrollverlust, bleibt offen.

Kabale & Liebe: Daredevil und Elektra
Auch die Beziehung zwischen Murdock und Elektra ist von dieser Spannung geprägt. Im Kampf gegen die Hand findet Elektra die Legitimation, ihrer Mordlust nachzugeben. Wirklich frei und entfesselt fühlt auch Murdock sich nur mit Elektra, doch das Töten steht wie eine unüberwindbare Mauer zwischen ihnen. Während Elektra ihren Drang nicht unterdrücken kann, kann Murdock das Töten nicht zulassen. Es ist wie Romeo und Julia, nur tragischer: Sie können den verfeindeten Familien nicht entkommen, da sie ihnen innewohnen.
Schicksal? Nur wenn man möchte.
Als Nobu Elektra offenbart, dass sie ‚Black Sky‘ ist, macht plötzlich alles Sinn – Töten ist ihr Schicksal, ihr Verlangen angeboren. Ihr Wunsch und Murdocks Glaube an das Gute in ihr scheinen nur naive Gedankenspiele. Gegen Ende der Staffel zeigt sich aber, dass Kontrollverlust nicht alles ist, und Selbstverwirklichung darüber hinaus geht, sogar Hand in Hand mit Selbstbestimmung. Treu zu sich selbst, zu seinen Gefühlen sein, und trotzdem der Mensch werden, der man sein will – diese Lektion lernt Elektra am Ende der zweiten Staffel und gibt letztlich ihr Leben dafür.